Bezirzend

Griechische Mythologie

Bezirzen bedeutet im Deutschen jemanden durch charmante Überredungskunst für seine Wünsche zu gewinnen. Das Verb wurde vom Namen der griechischen Göttin Circe abgeleitet. Wen sie bezirzt hat, kann man in dem mitreißenden Roman „Ich bin Circe“ von Madeline Miller nachlesen. Ich habe nach diesem Buch gegriffen, weil sich seit der Lektüre von „Eine Odyssee – mein Vater, ein Epos und ich“ neugierig auf die griechische Mythologie bin.

Der mächtige Sonnengott Helios bekommt mit der gewieften Nymphe Perse vier Kinder, alle schön und leuchtend. Eines davon, Circe ist anders als die anderen. Sie ist das ungeliebteste Kind des Vaters, sie agiert sehr unterwürfig und hat eine seltsam dünne Stimme.

Zauberkraft

Erst als sie sich in den Fischer Glaukos verliebt, entdeckt Circe, dass sie der Hexerei mächtig ist und verwandelt den Fischer in einen Gott, damit er unsterblich werde. In dieser Erscheinungsform wird er in den Hofstaat von Helios aufgenommen, wobei keiner weiß, das Circe die Wandlung bewirkt hat. Auch andere Nymphen finden Glaukos plötzlich attraktiv. Als die berechnende Scylla ihn umgarnt, verwandelt Circe sie voll Eifersucht in ein schreckliches Seeungeheuer, auf das Circe im Laufe ihres Lebens immer wieder treffen wird.

Als bekannt wird, was Circe mit ihrer Hexenkunst angerichtet hat, wird sie um den Frieden mit dem Olympischen Gott Zeus zu wahren, auf eine Insel verbannt.

Circe arbeitet auf der Insel an der Weiterentwicklung ihrer Zauberkräfte. Zahme Tiere leisten ihr Gesellschaft, doch dabei bleibt es nicht. Der Götterbote Hermes kommt ab und zu vorbei und erzählt ihr Neuigkeiten und wärmt ihr Bett. Als die Verbannung für kurze Zeit gelöst wird, um ihrer Schwester bei der Niederkunft des Minotaurus zu helfen, verliebt sich sich in den sterblichen Handwerker Daidalos, was nur eine kurze Episode ihn ihrem ewigen Leben bleibt.

Lange Jahre ist sie einsam auf der Insel und immer wieder kommen ausgehungerte Seefahrer zu ihr. Sie bietet ihnen gastfreundlich ein Mahl an. Sobald die rauen Männer herausfinden, dass sie als Frau alleine auf der Insel lebt und einige Schätze zu bieten hat, werden sie gefährlich. Circe wehrt sich, indem sie sie in Schweine verwandelt. So verwandelt sie auch Odysseus Männern, als sie auf Circes Insel halt machen. Aber der charmante Odysseus kann sie dazu bringen, den Zauber wieder rückgängig zu machen. Odysseus bleibt einige Zeit bei ihr, macht sich dann wieder auf seinen langen Weg, ohne zu wissen, dass Circe mit seinem Sohn Telegonos schwanger ist.

Die Göttin als Frau

Der Roman ist aus der Perspektive Circes geschrieben, einer Frau, die zuerst nicht geachtet, sondern belächelt wird. Als sie ihre herausragenden Fähigkeiten entdeckt, wird sie aus der Gemeinschaft verstoßen. Was sie als Anlass nimmt, sich weiterzubilden und das Beste aus der Situation zu machen.

Das legendäre Bezirzen wird im Roman als Selbstschutz ausgelegt. Nicht als das Umgarnen von Männern, sondern als höflichen Akt, der von ihr sofort unterbunden wird, sobald sie ausgenutzt wird.

Als Leser versteht man ihre Beweggründe, ihre Hoffnungen und Ängste, man ist nahe an der Göttin dran. Circes Sorgen mit dem Schreibaby Telegonos haben mich besonders berührt. Da schreibt eine Mutter, habe ich gedacht. Die Autorin, die studierte Altphilologin ist, versteht sich darauf, ihre eigene Erfahrungen und Lebensdetails den mythologischen Figuren mitzugeben. Ein packender Roman, der ganz schnell gelesen ist und historisch bildet. Ein bezauberndes Buch!


Madeline Miller

„Ich bin Circe“

Roman

Aus dem amerikanischen Englisch von Frauke Brodd

Originaltitel: Circe, Little Brown USA 2018

520 Seiten

Gebunden mit Schutzumschlag und Lesebändchen

13,5 x 21,5 cm

€ 24,00 (D) | € 24,70 (A)

ISBN: 978-3-96161-068-6

Erschienen am 30. August 2019

Auch als E-Book erhältlich 978-3-96161-074-7