Irgendwann brauchen Kinder nicht mehr ständige Aufmerksamkeit von den Eltern. Irgendwann haben sie ein eigenes Sozialleben, an dem man nur mehr als Hinbringerin, Abholerin oder als Jausenversorgerin teilnimmt. Ihre Freizeit verbringen Kinder lieber mit anderen Kindern. Und das ist gut so. Aber womit verbringen Mama oder Papa dann die wiedergewonnene Zeit?
Die amerikanische Autorin Meg Wolitzer erzählt im Roman „Die Zehnjahrespause“ von vier Müttern, die diese Frage unterschiedlich beantworten.
Vier Freundinnen
Wenn sie ihre Kinder in die Schule gebracht haben, treffen sich Amy und ihre drei Freundinnen Jill, Roberta und Karen regelmäßig in einem New Yorker Lokal. Keine der Frauen arbeitet, seit ihre Kinder auf der Welt sind, was ca. zehn Jahre her ist. Die Anwältin Amy hatte versucht ins Berufsleben wieder einzusteigen, hat dann aber in der fordernden Anwaltskanzlei schnell aufgegeben. Sie kümmert sich seither ausschließlich um den schon manchmal pubertär muffigen Mason, während ihr Mann alleine das Geld für die teure Wohnung heranschaffen muss.
Jill ist Amys beste Freundin. Sie lebt aber seit geraumer Zeit in einem Vorort, was die Freundschaft belastet. Jill hatte eine vielversprechende akademische Karriere vor sich, schaffte es aber nicht, ihre Dissertation nach einer ersten Ablehnung noch einmal zu überarbeiten und beschloss sich lieber auf die Familienplanung zu konzentrieren. Doch es klappte nicht mit einem eigenen Kind, so entschieden sich Jill und ihr Mann für eine Adoption. Aber selbst ihre besten Freundin Amy vertraut Jill nicht an, dass sie glaubt, dass mit ihrer adoptieren Tochter etwas nicht stimmt.
Die dritte Freundin ist Roberta. Sie hatte versucht, von Kunst zu leben. Schon vor der Geburt ihrer Zwillinge ist ihr klar geworden, dass sie als Frau in der Kunstszene immer eine Randfigur bleiben wird. Also unterstützte sie ihren Mann bei seiner Leidenschaft, dem Puppenspiel, um Geld zu verdienen. Um die Familie zu erhalten, nahm ihr Mann nachd er Geburt der Kinder noch einen Kameramannjob beim Fernsehen an. Roberta hat Schwierigkeiten, nachdem ihre Kinder nun groß sich, sich wieder auf die Kunst einzulassen, stattdessen versucht sie sich als Freiwillige in sozialen Projekten zu engagieren, aber dann wird plötzlich ihr Mann erfolgreich.
Karen, die Tochter von asiatischen Einwanderern, liebt die Mathematik, eine Leidenschaft, die sie mit ihrem Mann teilt. Trotz hoher Qualifikation bleibt bei ihrem Sohn zuhause und weil ihr Mann gut verdient, muss sie keinen Finger rühren. Ihrer hart arbeitenden Mutter erscheint dieses Leben himmlisch. Es ist das, was sie sich für ihre Tochter gewünscht hat. Sie selbst musste, um ein Leben in Amerika aufzubauen, so hat arbeiten, dass ihre Gesundheit nun beeinträchtigt ist.
Penny hat alles
Amy freundet sich mit einer anderen Mutter von der Schule ihres Sohnes an, der hübschen und voll berufstätigen Penny. Doch in deren Leben ist nicht alles so perfekt, wie es scheint. Amy kommt dahinter, dass sie ein Verhältnis mit einem jüngeren Engländer hat. Das Miterleben dieser Heimlichkeiten macht Amy riesige Freunde, wofür sie fast die alte Freundschaft mit Jill aufs Spiel setzt.
Umorientierung
Wenn man hört, das sich vier Frauen regelmäßig in einem New Yorker Lokal treffen und reden, denkt man sofort an Sex in the City. Viellicht fragte sich die Autorin, was wäre, wenn diese vier Frauen alle Mütter gewesen wären. Wie hätte ihr Leben dann ausgesehen?
Im Roman wirkt das Leben der vier Mütter wenig glamouröus, es geht weniger um Partys, als um Schulaktivitäten. Einzig der jugendliche Liebhaber könnte von „Sex in the City“ hinübergewechselt sein.
„Die Zehnjahrespause“ ist ein Roman über Lebensentwürfe von Frauen. Die Kinder werden selbstständiger und die Frauen sind an dem Punkt, wo sie sich fragen, was sie ihrem Leben anfangen wollen. Sie haben bereits gesehen, dass die Versprechungen von Karrieren und Familie nicht eingelöst werden. Frauen mit Kindern wird es in der Arbeitswelt in Amerika nicht leicht, ohne anständigen Mutterschutz, Karenz und Teilzeitmöglichkeiten. Zudem sind die Schulen so ausgelegt, dass sich die Frauen viel einbringen müssen. Aber nach zehn Jahren Pause (Im englischen Original mit dem viel netteren Titel „The Ten-Year Nap“) erwacht in den Frauen das Gefühl sich neu orientieren zu müssen. Es geht auch um die Midlifecrisis, obwohl das nicht ausgesprochen wird.
Die Mütter der Mütter
Der umfangreiche Roman ist langsam und detailreich erzählt. Er schenkt Alltäglichkeiten, in denen man sich als Mutter wiederfindet, auch Aufmerksamkeit. An wenigen Stellen wirkt er etwas klischeehaft. Jeweils ein Kapitel ist den Müttern der Protagonistinnen gewidmet, in denen gezeigt wird, wie die ältere Generation kämpfen mussten, um das zu tun, was sie wollte oder um ganz simpel die Familie durchzubringen. Mit den Rückblenden auf die Leben der Mütter, steigt die Erzählung über die einfache Frauenfreundschaftsdarstellung hinaus und bietet auch eine historische Perspektive auf die verändernde Rolle der Frau.
Die Stellung
Von Meg Wolitzer habe ich auch schon den Roman „Die Stellung“ gelesen, der mir ganz gut gefallen hat. (Es geht um Kinder von Eltern, die für eine gewisse Sex-Stellung bekanntgeworden sind, was einem schon beim Lesen die Schamesröte ins Gesicht treibt.) Generell sind so typisch amerikanischen Settings sind nicht ganz die meinen, oft wirken sie, gefüttert durch Film- und Serienkonsum, schon ein wenig ausgelutscht. Aber irgendwie befriedigt Meg Wolitzer diese Nische mit einem sanften, emanzipatorischen Ansatz. Es geht ihr nicht nur um Einzelschicksale, sondern auch um das Aufzeigen von gesellschaftlichen Entwicklungen.
Elternteilzeit
Bei uns in Österreich wird einem das Arbeiten wenn man Kinder hat, nicht ganz so schwer gemacht. Uns steht, unter günstigen Umständen, ein Recht auf Stundenreduktion in Form von Elternteilzeit zu. Aber wir wissen, die Halbzeitarbeit bringt nicht nur die halbe Anerkennung, sondern auch die weniger interessanten Projekte und weniger Geld. Also seufzen wir, wenn wir merken, dass die Kinder selbstständiger werden und bitten den Chef unsere Arbeitszeiten zu erhöhen. Mehr Geld können wir immer brauchen. Und dann beginnen wir an die Pension zu denken.
Oder wollen wir’s noch einmal wissen? Wir können uns für einen Malkurs anmelden, stricken lernen oder einen Garten zulegen (so mache ich das :-)). Oder suchen wir das Risiko und feiern die Midlifecrisis indem wir uns einen jüngeren, britischen Liebhaber zulegen?
Meg Wolitzer
Die Zehnjahrespause
Roman
416 Seiten, gebunden mit Lesebändchen,
Originalverlag: Riverhead, 2008, Originaltitel: The Ten-Year Nap
24€ (D)
Erscheinungstag: 14.10.2019
ISBN 978-3-8321-8107-9
Übersetzung: Michaela Grabinger
Dumont Verlag