Die burgenländische Autorin Jutta Treiber kannte ich als Schülerin vom Sehen. Sie war Gymnasialprofessorin an der Schule, die ich besuchte. Damals wurde schon hinter vorgehaltener Hand gemunkelt, dass die Frau Professor Treiber auch Schriftstellerin ist, als wäre das etwas unanständiges. Ich hatte sie als Kinderbuchautorin und Autorin von Jugendromanen gespeichert. Als Kind habe ich „Popcorn zum Frühstück“ von ihr gelesen. An den Inhalt des nun vergriffenen Buches kann ich mich nicht erinnern, außer dass es um ein Kino geht. Vom Popcorn ist es ja nicht weit zum Kino, und um ein Kino geht es oft in Jutta Treibers Leben. Denn ihre Familie, genauer ihr Sohn, betreibt das Kino in Oberpullendorf, der kleinen Bezirkshauptstadt im Burgenland. Und das Kino liebten wir Kinder alle.
Jutta Treiber
Erst im Rahmen der Recherche meines Schwerpunktes für Burgenländische Literatur erfuhr ich, dass Jutta Treiber auch für Erwachsene schreibt. Von ihren über 50 veröffentlichten Werken sind ca. vier Romane für Erwachsene ausgewiesen. In ihren Geschichten geht es um Alltägliches, der Plot ist weniger wichtig. Sie will, wie sie in einem Interview sagte, mit ihren Texten emotional berühren. Dabei schreckt sie auch bei Kinderbüchern nicht vor Tabuthemen wie Tod oder Behinderung zurück. Mit Offenheit und einer guten Prise Humor funktioniert das wunderbar.
Als Erwachsener kann man sich davon durch die Lektüre ihres letzten Werks „Halt den Mund, sagte Mutter und dann starb sie“ überzeugen. Mich hat der Roman ganz schön hergebeutelt.
„Halt den Mund, sagte Mutter und dann starb sie“
Der Roman ist in kleinen Episoden aufgebaut. Das verbindende Element der Episoden ist der Tod. Der inhaltliche Zusammenhang erschließt sich erst in der fortschreitenden Lektüre. Zuerst sind da viele miteinander verbunden Protagonistinnen. Heide, die Turnlehrerin, die Autorin und die Englischlehrerin wechseln sich im Erzählen von Todesfällen ab. Verwandte, Freunde, Bekannte, und Schülern, alle sterben. Der titelgebende Haupterzählstrang begleitet Heide und ihren behinderten Bruder Micha dabei, wie sie von der Mutter Abschied nehmen müssen.
Es ist ein Buch darüber, wie der Tod kommt: überraschend, mit Vorahnung, nach Krankheit. Nicht immer ist er unerwünscht. Ein anderer Erzählstrang begleitet ein Mädchen mit einer Essstörung, dass sich auflösen will. Die erzählerischen Einzelteile verdichten sich zu einem stimmigen, kunstvoll verflochtenen Ganzen.
Der Blick auf den Tod erzählt vom Leben
Es ist ein nachdenkliches, ruhiges, dunkles Buch. Gerahmt im Alltäglichen handelt es von einem massiven Einschnitt, der alles Gewesen noch einmal in Frage stellt. Was macht das Leben aus und was bleibt, wenn es fertig gelebt wurde? Da bietet die selbst im letzten Lebensdrittel (sie ist voriges Jahr 70 geworden) angekommene Autorin schöne Betrachtungen und Gedanken.
Oft sind mir beim Lesen die Tränen gekommen, was ich in der U-Bahn zu verbergen versucht habe. Aber ich habe mich immer auf Weiterlesen gefreut. Sehr menschlich! Sehr lesenswert!
„Halt den Mund, sagte Mutter und dann starb sie“
Jutta Treiber
lexliszt12 Verlag
19,90€ (A)
Erschienen 15.09.2018
http://www.juttatreiber.com/