Frauen schreiben über Beziehungen

3 Romane von österreichischen Autorinnen

In meiner kleinen Büchereifiliale dürfte es gerade einen Schwerpunkt zu Büchern von österreichischen Autorinnen geben. Immer wieder sind interressante Exemplare ausgestellt und natürlich greife ich sehr gerne zu. Ich hatte von den drei heute vorgestellten Autorinnen noch keinen Roman gelesen, obwohl keines dieser Werke ein Debut ist. Ich vermute, dass österreichische Autorinnen weniger Medienpräsenz bekommen und daher schwerer sichtbar sind. Ein Grund dafür könnte sein, dass in diesen drei Werken keine großen gesellschaftlichen Fragen gewälzt werden, sondern es geht um die kleinste Einheit, die Gesellschaft ausmacht: die zwischenmenschliche Beziehung. Ganz dem Klischee der Frauenliteratur entsprechend, behandeln sie in den drei Romanen die Paarbeziehung, die Freundschaft und die Geschwisterbeziehung. Die Ausführung ist wenig klischeehaft, gar nicht kitschig, sondern differenziert und durchaus lesenswert.

Laura Freudenthaler „Geistergeschichte: Roman“

Die 50igjährige Anne nimmt sich ein Jahr Pause von ihrer Tätigkeit als Klavierlehrerin, um ein Lehrbuch zu schreiben. Doch statt konzentriert daran zu arbeiten, sitzt sie in Kaffeehäusern, hält Beobachtungen schriftlich fest und unternimmt lange Spaziergänge durch die Stadt. Auch Klavier spielt sie kaum mehr. Das kann daran liegen, dass ihr langjähriger Partner Thomas, mit dem sie seit über 20 Jahren zusammenlebt, eine Affaire hat. Er ist kaum noch in der gemeinsamen Wohnung anzutreffen, stattdessen taucht dort immer wieder ein Mädchen auf, das am Fensterbrett sitzt oder kleine Dinge umarrangiert. Manchmal kommt das Mädchen mit einer Katze. Anne versucht es anfangs zu ignorieren und bleibt abwartend. Sowie sie auch in ihrer Partnerschaft nicht aktiv etwas ändert, sondern zusieht wie sich Thomas immer weiter fort bewegt.

Es ist ein trauriger Roman über einen Innenwelt, die nach außen gelagert wird. Das Mädchen könnte die Projektion der jüngeren Geliebten des Partners sein, sie könnte aber auch Anne als Mädchen sein. Sie könnte aber auch ein gewünschtes Kind sein. Das Mädchen macht die Wohnung unheimlich, aber es lässt Anne ein Gegenüber haben, während ihr Mann abwesend ist.

Die hoffnungslose Stimmung des Romans schlägt sich auf den Leser. Doch sie Sprache ist schön, die Komposition einnehmend, der Schmerz so erträglich, dass man gerne noch weitergelesen und ein dickeres Buch in der Hand gehabt hätte.

Ein toller zweiter Roman der jungen Salzburger Autorin Laura Freundethaler, die nun in Wien lebt. Sie ist, wie ich, Absolventin Literaturakademie Leonding. Ihr erster Roman muss auch noch von mir gelesen werden.

Gudrun Seidenauer „Was wir einander nicht erzählten“

Mella und Marie freunden sich als Schulmädchen an. Marie kommt aus einer klassischen Familie mit Vater, Mutter und Bruder. Mellas Familie besteht aus dem noch recht jungen Vater Alex, der Musiker ist und der Mutter Cordula, die meist nicht bei der Familie, sondern sich mit psychischen Problemen in einem Sanatorium aufhält und nur ab zu zu ein Wochenende zuhause verbringt. Die unkonventionelle Familienkonstellation und die Freiheit darin ziehen Marie an. Wenn die Mutter da ist, erlebt Marie das Haus und auch ihre Freundin Mella und deren Vater anders. Sie fühlt sich ausgeschlossen. Mit Einsetzen der Pubertät wird die Freundschaft schwieriger, weil Mella Interesse an Maries Bruder hat, und Marie in Mellas Vater verliebt ist. Der Tod von Mellas Mutter bringt noch mehr Unruhe. Während der Studienzeit zerbricht die Freundschaft an einem anderen Mann und als sich die beiden ca. 19 Jahre später auf einer beruflichen Japanreise treffen, wissen sie nicht, wie und ob sie ihre Freundschaft wieder aufnehmen können.

Der Romananfang holpert ein bisschen. Da sind etwas viele Personen auf der ersten Seite versammelt und es dauert ein wenig, bis der Leser sich zurecht findet, aber ab dem 2. Kapitel kennt man sich aus. Der Text wirkt nicht nur hier noch nicht ganz fein geschliffen, doch der Inhalt wiegt das auf. Anfangs wird die Freundschaft aus Maries Sicht erzählt, doch um den Tod der Mutter herum bekommt der Leser auch Mellas Perspektive geliefert. Und gesamt zeigt die Geschichte ganz schön, was Freundschaft ausmacht, wie erfüllend, helfend, aber auch schmerzhaft sie sein kann und wo die Grenzen sind. Schön herausgearbeitet ist in dem Buch, dass das enge Miteinanderaufwachsen den Grundstein für Beziehungen und für Eigenheiten der Person legt.

Die Salzburger Autorin Gudrun Seidenauer ist auch Gymnasialprofessorin und unterrichtet Erwachsene in kreativem Schreiben.

Gurdrun Seidenauer

Theresa Prammer „Auf dem Wasser treiben“

Der Volksschüler Stefan ertrinkt fast bei einem Badeausflug, seine Mutter Hannah rettet ihn ihn letzter Minute. Am nächsten Tag verschwindet sein Vater John für immer. Jahre vergehen und am Fest zum 55igsten Geburtstag meint Hannah ihren vor Jahren verschwundenen Mann zu sehen. Es entsteht Aufregung und ein Tumult und Hannah verschwindet selbst. Stefan, inzwischen längst erwachsen, und seine beiden Geschwister Emma und Fred sind ratlos. Jeder ist in seinem eigenen Leben verstrickt. Der Wasserwissenschafler Stefan hat Probleme Beziehungen einzugehen. Emma kämpft damit, einen Alltag aufrecht zu erhalten, während sie ihre Scheidung und ihre Kinderlosigkeit betrauert. Und Fred muss alles unter Kontrolle haben und weiß immer alles besser als seine Geschwister. Gemeinsam mit dem neuen Mann der Mutter machen sich die Geschwister auf die Suche nach Hannah, dabei kommen sie einander wieder näher und finden heraus, warum sie ihr Vater verlassen hat.

Man merkt, dass die Autorin und Schauspielerin Theresa Prammer sonst Krimis schreibt. Das Buch hat einen spannenden Plot. Mit der Aufgabe ein Rätsel zu lösen, nimmt es den Leser von Anfang an mit. Reizvoll war für mich das Thema der erwachsenen Geschwisterbeziehungen. Die unkritische, natürliche, kindliche Nähe ist verschwunden, trotzdem bleiben die alten Rollen besetzt, aber bei genauer Betrachtung muss man sich einen neuen Umgang miteinander erarbeiten. Die Geschwister im Buch haben Hemmungen ihre Gefühle auszusprechen und entdecken in der Ausnahmesituation das Bedürfnis sich wieder zu verbinden und Nähe zuzulassen. Die Wasseranalogien, die sich durch das Buch ziehen, hätte es für mich nicht gebraucht, denn die Geschichte trägt auch ohne diesen aufgesetzten Rahmen.

"Auf dem Wasser treiben" Roman Theresa Prammer


Laura Freudenthaler
„Geistergeschichte“
Roman
Literaturverlag Droschl
2019
gebunden , 13 x 21 cm
168 Seiten
ISBN: 9783990590256
€ 20 [A]

Gudrun Seidenauer
„Was wir einander nicht erzählten“
Milena Verlag
264 Seiten
Hardcover mit Schutzumschlag
€ 24.00 [A]
ISBN 978-3-903184-24-4
2018

Theresa Prammer
„Auf dem Wasser treiben“
Roman
List Hardcover
Hardcover mit Schutzumschlag
256 Seiten
ISBN-13 9783471351680
Erschienen: 08.02.2019
List Verlag
€ 18,00 [D], € 18,50 [A]