Das Ablaufdatum

Dass vor ein paar Jahren mein Handy just an meinem Geburtstag den Geist aufgegeben hat, war wahrscheinlich ein blöder Zufall, dass das aber ein paar Tage nach Ablauf der Garantie passiert ist, sicher nicht. Damals kannte ich den Begriff der geplanten Obsoleszenz noch nicht. Das ist das Thema des heute vorgestellten Buches „Kaufen für die Müllhalde – Das Prinzip der geplanten Obsoleszenz“ von Jürgen Reuß und Cosima Dannoritzer.

Zuerst gab es den gleichnamigen Film von Cosima Dannoritzer und aus der dreijährigen Recherchearbeit dafür ging das Buch hervor. Gemeinsam mit dem Journalisten Jürgen Reuß bearbeitete sie das Material so, dass es auch in schriftlicher Form gut funktioniert.

Cosimas Startpunkt ist im Film und im Buch ein Drucker, von dem sie nicht wahrhaben will, dass er schon kaputt ist. Mithilfe eines befreundeten Computerspezialisten findet sie heraus, dass der Hersteller einen Zähler eingebaut hat, der nach einer gewissen Anzahl an gedruckten Seiten den Drucker anweise, nicht mehr zu drucken. Stellt man diesen Zähler mit der Hilfe einer russischen Software zurück, funktioniert der Drucker wieder einwandfrei, bis er wieder diese festgelegte Anzahl erreicht hat. Was der Hersteller hier praktiziert, nennt man geplante Obsoleszenz. Es ist ein festgelegtes Ablaufdatum, eine Sollbruchstelle herbeigeführt durch einen technischen Trick, oder durch bewusst minderwertiges Material. Die Idee dahinter ist, dass der Konsument beim Kundenservice die Auskunft bekommt, dass sich eine Reparatur nicht auszahlt und er dann ein neues Produkt kauft. Und das Phänomen ist nicht neu.

Arten der Obsoleszenz

Die Autoren zitieren Vance Packard, einen Forscher, der geplante Obsoleszenz bereits in den 60iger Jahren untersucht hat. Er unterscheidet dabei 3 Arten von geplanter Obsoleszenz (S 47):

  1. Die funktionelle Obsoleszenz: Ein vorhandenes Erzeugnis veraltet durch die Einführung eines neuen, das seine Funktion besser erfüllt.
  2. Die qualitative Obsoleszenz: Ein Erzeugnis versagt oder verschleißt zu einem bestimmten, geplanten, gewöhnlich nicht allzu fernen Zeitpunkt.
  3. Die psychologischen Obsoleszenz: Ein Erzeugnis, das qualitativ und in seiner Leistung noch gut ist, wird als überholt und verschlissen betrachtet, weil es auch Modegründen oder wegen anderer Veränderungen weniger begehrenswert erscheint.

Ein Beispiel für die funktionale Obsoleszenz ist der Plattenspieler, der vom CD-Player und dann vom MP3-Player und dann vom Handy abgelöst wurde. Ein Beispiel für die zweite Art ist mein kaputtes Handy oder das Druckerbeispiel aus dem Buch. Und Mode als eine Spielart von psychologischer Obsoleszenz war mir ein neuer Gedanke, der sehr logisch erscheint und mich weiter in meinem Vorhaben meinem Jahr der Fülle (= Konsumverzicht) bestärkt.

Die Recherche führt uns weiter zu einer Glühbirne, die schon seit über 100 Jahren durchgängig brennt, über Strumpfhosen, mit denen man ein Auto abschleppen kann, bis zur Erfindung von Mode, die erstmals bei Autos angewandt wurde.

Die Autoren gehen auch auf die Gründe für die Einführung eines Verfallsdatums ein. Es wurde für notwendig erachtet, damit unsere Wirtschaft, die auf permanentes Wachstum ausgerichtet ist, ständig neu befeuert wird. Doch dieser permanente Austausch von Gütern hat Konsequenzen. Der Schauplatz dafür ist eine stinkende Elekroschrottdeponie in Ghana, die geneigte Blogleser schon aus dem Roman von Karl Wolfgang Flender
„Greenwash, Inc.“ kennen. Hier entfernen Jugendliche und Kinder unter extrem gesundheitsschädlichen Bedingungen die Teile aus unseren weggeschmissenen elektronischen Geräten, die noch wiederverwendet werden können.

Auswege

Im Schlussteil, den es im Film nicht gibt, werden auch noch Initiativen aufgelistet, die sich zum Ziel gesetzt haben, gegen geplante Obsoleszenz zu arbeiten. Das Buch zeigt Auswege, um beim Spiel des permanenten Konsumieren nicht mitmachen zu müssen: Reparieren, Open Source- Produkte nutzen (Hersteller geben dabei die Herstellungsanleitung preis), Gegenstände so lange wie möglich nutzen, Mode als das sehen, was sie ist – nicht unbedingt notwendig. Weitere Ideen um Elektroschrott zu vermeiden habe ich schon vor einiger Zeit in diesem Blogartikel veröffentlicht.

Das Buch erklärt und, worin wir als Konsumenten gefangen gehalten werden und wie wir da wieder raus kommen. Es ist leicht zu lesen, verständlich und logisch aufgebaut. Die Beispiele sind so gewählt, dass sie im Kopf bleiben. „Kaufen für die Müllhalde“ ist ein Buch, dass Grundlagen bietet und Alternativen aufzeigt. Es ist außerdem ein Beispiel dafür, dass das Buch zum Film nicht sinnlos sein muss, sondern durchaus eine stabile Ergänzung sein kann.

Buch zur geplante Obsoleszenz


Kaufen für die Müllhalde – Das Prinzip der geplanten Obsoleszenz
orange press
2013
Taschenbuch
ISBN: 978-3-936086-66-9
20€ (A)