Obamas Ausstrahlung – Teil 1

Vor kurzem habe ich drei Bücher gelesen, die zwei gemeinsame Nenner haben: alle drei Bücher haben die Präsidentschaft von Barack Obamas zum Thema und ihre Autoren haben dunkle Hautfarbe. Ich verpacke die drei Werke, die unterschiedlichen Genres angehören, in einen Blogbeitrags-Dreiteiler. Heute, am Montag, starte ich mit Michelle Obamas Autobiographie. Michelle Obama erklärt in „Becoming – Meine Geschichte“ ihre Herkunft und wie sie die acht Jahre als First Lady erlebt hat. Am Mittwoch stelle ich einen Roman vor. Die nigerianische Autorin Chimamanda Ngozi Adichie erzählt in „Americanah“ wie eine afrikanische Einwanderin die USA zur Regierungszeit von Obama erlebte. Der dritte Teil folgt am Freitag. Der afroamerikanische Intellektuelle Ta-Nehisi Coates reflektiert in seinem Essayband „We were Eight Years in Power – An American Tragedy“, welche Hoffnungen und welche Versprechen sich mit dem ersten schwarzen Präsidenten auftaten.

Michelle Obama

Teil 1: „Becoming – Meine Geschichte“

Ich hatte schon wahrgenommen, dass Barack Obamas Ehefrau Michelle etwas mehr als ein lächelnder Fan ihres Mannes ist, aber um zu wissen wieviel sie in den acht Jahren im Weißen Haus geschaffen hat, musste ich erst ihr Erinnerungsbuch lesen. In den Buchhandlungen bin ich immer an den hohen Stapeln mit dem pastellfarbenen, femininen Cover vorbeigegangen, auf der Suche nach etwas Ernsthaftem. Erst die positive Kritik der Freundin einer Freundin konnte mich zum Lesen bewegen. Nun nach der Lektüre muss ich sagen, das Buch ist die Lesezeit definitiv wert. Es zeigt einen einzigartigen Lebenslauf, ist dabei gut geschrieben und flüssig zu lesen.

Aufgewachsen

Michelle ist in einer weit verzweigten Familie in Chicagos South Side, einem Problemviertel, aufgewachsen. Neben ihrer pragmatischen Mutter und ihrem an MS erkrankten Vater gehörte noch ihr Bruder Greg zur Kernfamilie. Michelle besuchte eine gemischtrassige Grundschule, die im Laufe ihrer Schulzeit aus immer mehr dunkelhäutigen Kindern bestand. Ihre Mutter, die lange Zeit Hausfrau war, intervenierte, als Michelle bei einer unmotivierte Lehrerin in der Klasse saß. In den ausbildungstechnischen Belangen folgte Michelle den Spuren ihres sportlichen und beliebten Bruders Greg nach Princeton, wo sie manchmal die einzige dunkelhäutige Studentin in Seminaren war. Sie schloss das Studium und dann die Law School ab und ging wieder zurück nach Chicago, um dort in einer Anwaltskanzlei zu arbeiten. Sie bekam sie den zwei Jahre jüngeren Praktikanten Barack Obama zugeteilt. Der schlaksige junge Mann beeindruckte sie mit seiner Souveränität und seinem breiten Lächeln. Zuerst war es eine Freundschaft, dann wurde es mehr. Die ersten Ehejahre waren geprägt von ihrem Verlangen nach einem erfüllteren Job und dem Versuch des Paares Eltern zu werden. Michelle war dagegen, dass Barack in die Politik ging, denn das hieß für sie, ihn wenig zu sehen und viel Zeit alleine mit den beiden Kindern verbringen zu müssen. Wobei sie von ihrer Mutter, die später auch mit ins weiße Haus einzog, tatkräftig unterstützt wurde.

Die Amtszeit

Die politischen Aspekte der Amtszeit ihres Mannes streift Michelle im Buch nur kurz, worum es ihr geht, sind ihre eigenen Projekte. Sie setzte sich für gesunde Ernährung von Schulkinder ein. Ein Symbol dafür, ist der Gemüsegarten, den sie im weißen Haus anlegte. Sie schuf Programme zur Mädchenförderung und um die Familien von Soldaten zu unterstützen. Zuerst nervte sie die ständige Aufmerksamkeit der Medien an ihr als Person, oder an ihren Kleidern oder an ihren Oberarmen. Doch dann besann sie sich und nutzte das mediale Interesse, um es auf Dinge zu richten, die sie wichtig fand, wie zum Beispiel, darauf unbekannte Designer vorzustellen oder ihre Projekte zu promoten.

Michelle erzählt aber auch über Einsamkeit, über Erschöpfung, darüber, dass sie ihren Mann kaum sah. Ihre Sorgen drehten sich nicht nur um die physische Sicherheit ihrer Kinder, sondern auch darum, wie die beiden Mädchen den Wirbel um ihre Person unbeschadet überstehen könnten.

Gelungen

Ich bin sicher, dass Michelle Hilfe beim Schreiben des Buches hatte. Es ist gut strukturiert, der rote Faden des titelgebenden „Becomings“, also „Werdens“, zieht sich schön durch die Erzählung. Der Ton ist angemessen. Sie gibt etwas von ihrer Person preis, aber nicht soviel, dass es für sie oder den Leser unangenehm wird. Was mir gefällt, ist, dass sie mit dem Buch die Deutungshoheit über ihre Zeit als First Lady selbst in die Hand nimmt. Damit sticht sie wieder aus heraus, wird sichtbar und ist nicht das Objekt, über das von Außenstehenden, von Kommentatoren geschrieben wird. Sie selbst erklärt, warum sie sich bei Donald Trumps Amtseinführung nicht gezwungen hatte, zu lächeln.

Jede Frau, egal welcher Hautfarbe kann von Michelle etwas lernen: von ihrer Unbeirrbarkeit, ihrem Glaube, etwas verändern zu können, ihrem Optimismus, ihrem Wille Gutes zu bewirken. Interessant wäre noch Baracks Schilderung seiner Amtszeit. Ihn bewundere ich noch mehr, nachdem ich ihn mit den Augen Michelles gesehen habe. Sein Buch „Hoffnung wagen“, das 2007, also vor seiner Amtszeit erschienen ist, steht nun auch auf meiner Lesewunschliste.

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„Becoming – Meine Geschichte“
Hardcover
Goldmann Verlag
Aus dem Amerikanischen von Harriet Fricke, Tanja Handels, Elke Link, Andrea O’Brien, Jan Schönherr, Henriette Zeltner
Originaltitel: BECOMING
Originalverlag: Crown, New York 2018
Hardcover mit Schutzumschlag, 544 Seiten, 15,0 x 22,7 cm
mit 16-seitigem Bildteil in Farbe
ISBN: 978-3-442-31487-4
Erschienen am 13. November 2018
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