Die Anni ist begeistert, als sich der schneidige SS-Offizier Werner neben sie auf die Rapidtribüne setzt. Den Karli, mit dem sie ursprünglich gekommen ist, schaut sie während des ganzen Fußballspiels nicht an, der kommt ihr plötzlich sehr blass vor. Später ist das ganze Wohnviertel in Aufregung, weil der schneidig Werner Kontakt mit der einfachen Friseurin Anni aufnimmt.
Jahre später wundert sich der kleine Ferdinand, warum er immer die schroffe, herrische Tante Meri besuchen gehen muss, die weder er, noch seine Mutter Susanne so recht mag. Dort sitzt er immer stundenlang und wird mit Schlagobers gefüttert. Erst als viele Jahre später die Tante Meri stirbt und eine fremde Frau aus Chile auftaucht, beginnt Ferdl dahinter zu blicken, was die Mutter und die Tante Meri verbunden hat. Es war ein abwesender Mann, nämlich der Werner, über den die beiden Frauen schweigen mussten.
Die Sprache im Buch gleitet immer wieder in eine altmodische, Wiener Umgangssprache ab. Der phantasievolle Erzähler spricht auch Gegenständen Gefühle zu, so wirkt das ganze Buch recht drollig und liebevoll. Vielleicht liegt das auch an der Figur des Ferdinands, der ein wenig vor sich hinlebt und vieles einfach so hinnimmt. Erst durch den Tod seiner beiden engsten Bezugspersonen und der Aufdeckung ihrer Lebensgeheimnisse wächst er förmlich über sich hinaus und wird erwachsen.
Der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit, wird mit diesem Erzählton die Schärfe genommen, trotzdem werden die Figuren und ihre Taten nicht entschuldigt.
Interessant ist, was die Autorin über die deutschsprachige Community in Chile erzählt. Dass die deutsche Minderheit dort auch mit Unterdrückung konfrontiert war und deutschnationale Gesinnungen nicht so gerne gesehen waren, wie man üblicherweise annimmt. Es war auch für Nazis heikel, dort unterzutauchen.
Was es mit dem Fell der Tante Meri auf sich hat, ist mir als Leserin nicht ganz klar geworden. Sieht man die Tante Meri nur einmal das Fell tragen, dass ich eher als Pelz oder Pelzmantel bezeichnen würde. Vielleicht geht es um die Redeweise: jemand hat ein dickes Fell. Denn das hatte die rauhe Tante Meri sicher gehabt. Sie konnte zwar nach ihrer Glanzzeit ihre Gesinnung nicht mehr vor sich hertragen, sondern musste sie wie ihren Pelzmantel und die verräterische Uniform ganz hinten im Schrank verstecken. Aber sie passte sich nur oberflächlich an und blieb ihren Idealen treu.
Das Buch lässt sich sehr vergnüglich und schnell lesen, und ganz nebenbei wird einem der historische Horizont erweitert. Also eine Empfehlung für dieses preisgekrönte Romandebüt der jungen, burgenländischen Autorin Theodora Bauer. In ihrem späteren Roman „Chikago“ schließt sie an die Qualität des Erstlings, was interessanten historischen Hintergrund und Sprachkunst betrifft wieder an.
Und obwohl der Roman in Wien, Oberösterreich und Chile spielt, werde ich es aufgrund der Herkunft der Autorin als Stück burgenländische Literaur speichern.
Theodora Bauer
„Das Fell der Tante Meri“
Roman
Picus Verlag
ISBN: 978-3-7117-2011-5
200 Seiten, gebunden
auch als E-Book erhältlich
22,00 inkl. MwSt. (A)