Exzentrische Tierliebe

„Der Geschmack von Laub und Erde“ von Charles Foster ist ein ungewöhnliches Buch über einen Selbstversuch: wie wäre es, als Tier zu leben?

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Begeisterung ist ansteckend

Ich höre gerne zu, wenn Menschen über Dinge erzählen, die sie lieben: wenn mir meine Freundin von ihren Segelausflügen berichtet, wenn mein Sohn einen gelungenen Papierfliegerflug nachturnt, wenn mein Mann vom Mountainbikeausflug innerlich strahlend, aber äußerlich sehr dreckig zurückkommt, wenn meine Tante ein köstliches Essen detailreich schildert, wenn mein Bruder über die Pupse seiner kleinen Tochter spricht.

Da sehe ich das Glänzen in den Augen, sehe die Bedeutung und kann mich so richtig mitfreuen. Da habe ich auch plötzlich ein Glücksgefühl im Bauch. Die Begeisterung ist ansteckend.

Angesteckt wurde ich auch bei der Lektüre von „Der Geschmack von Laub und Erde – wie ich versuchte als Tier zu leben“ von Charles Foster. Hier erzählt einer, den Tiere begeistern, der sie studiert und am liebsten in ihre Haut schlüpfen will und da das nicht geht, zumindest ihre Wahrnehmungen teilen will. Die Gründe dafür sind nicht nur eine etwas exzentrische Tierliebe, sondern auch die Erkundung des eigenen Menschseins.

Leben als Tier

Charles Foster versucht im Buch „Der Geschmack von Laub und Erde“ drei Fragen zu beantworten: Ist unsere Fähigkeit eine Wahl zu treffen begrenzt? Was macht die Identität, das das Wesen, den Kern des Menschen aus? Und wie können wir wissen, dass die Basis unsere Wahrnehmung schon alleine unter Menschen dieselbe ist? Der britische Tierarzt und Anwalt findet einen ungewöhnlichen Zugang um sich der Antwort dieser Fragen anzunähern. Er versucht als Dachs zu leben. Aber nicht nur als Dachs, auch als Otter, als Fuchs, als Rothirsch und als Mauersegler. Ja, Mauersegler. Natürlich kann ihm das nicht voll und ganz gelingen. Am besten eignet er sich für das Leben als Dachs. Er bezieht mit seinem 8jährigen Sohn einen selbstgemachten Dachsbau und versucht dort auszuharren und das Leben des Dachses mit der Nase am Boden zu übernehmen. Ein Ziel ist es, sich eine Geruchslandlkarte der näheren Umgebung zurechtzulegen.

Das Leben als Otter verlangt von ihm Tauchgänge und Badeausflüge in Naturgewässer, und obwohl er für die auf Kampf getrimmten Ottern wenig Sympathie übrig hat, kann er sich auch hier gut in ihre Wahrnehmung einleben. Das Leben als Fuchs versucht er in London. Hier versucht er sich zusammengerollt in einem Hinterhof im tagelangen Dösen und nächtlichen Streifzügen. Dabei macht es ihm auch Spaß, Katzen, eine Tierart, die er gar nicht mag, mörderisch zu erschrecken. Das Leben des Rotwilds kennt er gut und ausgiebig von der anderen Seite, von der des Jägers, nun lässt er sich von einem Bluthund durch die Gegend jagen. Und am Mauersegler verzweifelt er fast. Dem folgt er über seine langen Flugrouten, kann ihn aber dennoch nicht recht greifen.

Sinneserweiterungen

Seine Erlebnisse, die Ausdehnung und Fokussierung seiner Sinne, kann Foster sehr detailreich und pointiert beschreiben. Ich mochte den britischen Humor und die Selbstironie, die hier immer wieder durchscheint. Bei den philosophischen Themen bin ich manchmal ausgestiegen. Da verstecken sich Gedankensprünge, denen ich nicht recht folgen konnte.

Trotzdem ist es ein Buch, dass den Horizont enorm erweitert. Ich bin ehrlich gesagt noch nie auf die Idee gekommen, in die Haut eines Tieres schlüpfen zu wollen. Nun sehe ich den Reiz. Der tiervernarrte Charles Foster hat geschafft, mir das Feuer zu vermitteln, zu zeigen, dass es sinnvoll sein kann, unsere Wahrnehmungsorgane in verschieden Richtungen zu trainieren. Wichtig ist ihm, auch die Landschaft zu erfahren. Denn das ist es, was wir uns mit den Tieren teilen, wir leben in denselben Landschaften, aber auf ganz unterschiedliche Weise. So ist die Landschaft auch unser Zugang zu Tiererlebniswelt. Und das Tiersein kann uns auch Antworten geben, was es heißt ein Mensch zu sein. Welche Antworten Charles Foster auf seine wesentlichen Fragen des Menschseins anhand sein Tierleben gefunden hat, muss er selbst noch herausfinden, aber sie hatten etwas mit Liebe zu tun.


Charles Foster
„Der Geschmack von Laub und Erde – Wie ich versuchte als Tier zu leben“
Piper
€ 10,00 [D], € 10,30 [A]
Erschienen am 01.08.2018
Übersetzt von: Gerlinde Schermer-Rauwolf, Robert A. Weiß
288 Seiten, Broschur
EAN 978-3-492-31356-8