Mein Kleiderschrank ist schlank
Mein Verhältnis zu Kleidung hat sich in den letzten Jahren in eine sehr pragmatische Richtung entwickelt. Mit der ersten Schwangerschaft gab es plötzlich zahlreiche Gründe, den Kleidungskonsum einzustellen. Der wichtigste Grund war die Einschränkung meines Einkommens, gefolgt von der Unsicherheit, ob das jetzt nach der Geburt wirklich meine neue Kleidungsgröße ist. Weiters war ich immer irgendwo schmutzig, angespuckt, abgeschmiert. Was den Verzicht gefördert hat, ist, dass Kleidung einkaufen mit Baby überhaupt keinen Spaß macht. (Es war nur erträglich, wenn es gerade schlief und ich einen Platz mit dem Kinderwagen in der behindertengerechten Umkleidekabine bekommen hatte.)
Erst mein Wiedereintritt in die Arbeitswelt bescherte mir wieder Kleidungseinkauferlebnisse, doch nie so exzessiv wie früher. Ich war nach den Jahren der Kleidungskaufabstinez aus der Modespirale gefallen. Ich musste nicht immer nach dem neuesten Schrei angezogen sein, es reichte mir, wenn ich mich in meinen Kleidern wohl fühlte. Der Großteil meines Gewandes ist heute älter als mein bald 7-jähriger Sohn.
Dann erreichte mich Marie Kondo und der Inhalt meines Kleiderschranks schmolz dahin (Baba kratzendes, zwickendes, enges Zeug! ), und hinterließ mir nur Lieblingsstücke, die ich dann nach einer professionellen Farb- und Stilberatung auch nochmal reduzierte (Baba, weiße und grüne Sachen!). Eine kleine Anmerkung: Die umgekehrte Reihenfolge, erst Farb- und Stilberatung, dann Kondo wäre zielführender gewesen.
Im Moment arbeite ich am Aufbau einer Capsule Wardrobe, was allerdings noch Jahre dauern kann, denn ich trage zuerst die Sachen aus, die ich habe. Und mit Austragen meine ich wirklich, ich benutze sie, bis sie auseinanderfallen oder Löcher haben. Und dann bekommen sie noch ein Nachleben als Fetzen (Küchenrollenersatz) oder Bastelmaterial für die Kinder. Neue Dinge versuche ich entweder Second Hand herzubekommen oder investiere in möglichst faire und nachhaltige Stücke. Er hat mich schockiert zu hören, dass die Fashionbloggerin Madeleine Alizadehvon Dariadaria, die als Vorbild für nachhaltigen Konsum fungiert, noch nie ein Kleidungsstück aufgetragen hat. Noch nie! Da läuft doch was nicht rund. Hat ein T-Shirt keinen Wert mehr?
Nunu Kaller: „Ich kauf nix!“
Von meinem früheren Verhalten und dem von Madeleine weiß ich, dass es ein großes Zielpublikum für mein heute vorgestelltes Buch geben muss. „Ich kauf nix!“ ist eines von den Büchern, die mich schon länger gerufen haben und dann ist es mich ganz unverhofft angesprungen. Die Autorin Nunu Kaller hielt einen Vortrag auf der tollen Bloggerkonferenz Bloglaut. Ich beschloss, sie mir anzuhören und erst bei Sympathie das Buch zu lesen.
Nunu Kallers Vortragsthema war Bloggen ohne Profit, was mich auch sehr interessierte. Sie erzählte von ihrer einjährigen Einkaufsdiät, und wie sie zu deren Unterstützung ihr Blog aufgebaut hat. Sie war vorher shoppingsüchtig gewesen und beschloss ein Jahr lang keine neuen Kleider zu kaufen, maximal zu tauschen, selbst herzustellen oder sich schenken zu lassen. Das Vorhaben hat sie mir einigen kreativ ausgelegten Regelverbiegungen geschafft und ihr Verhältnis zur Kleidung geändert. Denn obwohl sie für eine Umweltschutzorganisation gearbeitet hatte, und ihr bei den Lebensmitteln Bioqualität wichtig war, war Kleidung ein blinder Fleck gewesen. Und erst nach und nach hat sie die eigenen Mechanismen durchschaut, die sie in die Geschäfte treiben, aber auch die Tricks der Textilketten, die immer öfter im Jahr neue Kollektionen auf den Markt bringen, um den Konsum anzukurbeln. Uns wird suggeriert, dass wir nur schön sind, wenn wir nach der neuesten Mode gekleidet sind.
Von diesen Selbstversuch schreibt Nunu Kaller tagebuchartig in ihrem Buch. Ich mochte es, die Charakterzüge der Autorin, den ich im Vortag kennengelernt hatte,witzig, laut, selbstironisch, im Text wiederzufinden. Das Buch ist extrem unterhaltsam und lässt sich gut und schnell lesen. Sie bietet auch im Anhang, aber auch zwischendurch im Text Hintergrundinformation aus der Textilproduktion und liefert so noch Problembewußsein mit. Ihr Vortag bei der Bloglaut ging auch in die Richtung, sich nicht von Firmen als billiger Werbeträger vereinnahmen zu lassen, sondern das Blog als unabhängiges Medium zu nutzen um sein Anliegen frei in die Welt zu tragen.
Dein Weg zum bewussten Kleiderkonsum
Es ist ein sehr niederschwelliges, sehr unterhaltsames Buch, um in die Welt des Konsumverzichts einzusteigen. Es kann inspirieren, nachdenklich machen, der erste Schritt sein oder auch nur gut unterhalten. Wenn man sich mit es Gedanken angefreundet hat: „Alles, was ich brauche habe ich schon“, dann findet man seinen Weg und muss nicht den vorgegebenen Weg der Konzerne gehen. Bea Johnson die amerikanische Zero Waste Ikone, die auch Mode studiert hat, legt sich einmal im Jahr neue Kleidung zu. Aber davon nur soviel, wie in einem kleinen, handgepäckstauglichen Koffer passt. Das ist ihr Weg um modisch und möglichst nachhaltig zu leben.
Noch was: Nunu Kaller hat kürzlich auch ein Buch über Body Positivy herausgebracht „ Fuck Beauty“, aber das ist eine andere Geschichte.
Zum nachhaltigen Kleiderkauf kann ich noch die tolle Linkliste für Bezugsquellen auf dem Blog Dariadaria empfehlen: https://www.dariadaria.com/fair-fashion/
Nunu Kaller
„Ich kauf nix!“
KiWi-Taschenbuch
ISBN: 978-3-462-04589-5
Erschienen am: 27.11.2013
272 Seiten, Broschur
Deutschland 8,99 €
Österreich 9,30 €