Auswanderung in Schwarz-Weiss

Theodora Bauer

Jetzt ist wieder ein guter Zeitpunkt, sich zu erinnern, wie das damals war, als Burgenländer zu Wirtschaftsflüchtlingen wurden. Im Themenschwerpunkt burgenländische Literatur stelle ich heute den Roman „Chikago“ von Theodora Bauer vor.

Wie schon in „Teta Jelka überfährt ein Hendl Huhn“ von Michaela Frühstück geht es um burgenländische Auswanderer nach Amerika. Im Unterschied zu dieser Komödie mit traurigem Hintergrund, wird das Thema in „Chikago“ als Tragödie erzählt. Und diesmal geht es auch nicht um die Zurückgelassenen, sondern um die, die Aufbrechen.

Ana und die jüngere Katarina sind keine leiblichen Schwestern, werden aber vom selben Vater in Kittsee aufgezogen. Katarina, genannt Katica wird von dem Dorfburschen Feri schwanger. Durch einen Vorfall, ist es für das Paar angeraten, viel schneller als geplant die Heimat zu verlassen. Wie viele Kittseeer vor ihnen wandern sie 1921 nach Chicago aus. Ana fädelt diese Flucht ein und begleitet die beiden. Das Leben ist auch im Amerika zur Zeiten der Wirtschaftskrise nicht leicht. Die angebotene Arbeit ist hart und demütigend. Das muss auch Josip, genannt Joe, der Sohn von Katica und Ferenc lernen. Josip kehrt 1937 mit seiner Tante Anica in das burgenländische Kittsee zurück. Doch Anica, der Zigeunerwurzeln nachgesagt werden, wird dort in Zeiten des aufkommenden Nationalsozialismus unfreundlich empfangen. Josip arrangiert sich, er wird dort Josef genannt.

„Chikago“ ist ein tadelloser Roman einer ganz jungen Autorin, die selbst im Burgenland lebt. Das Burgenland hört man in der Romansprache. Zuerst fand ich die umgangssprachlichen Wendungen und Wörter irritierend, und wollte zu meinem inneren Rotstift greifen, erst mit der Wiederholung merkte ich, dass genau diese burgenländische Sprache einen Teil des Charmes des Buch ausmacht. Der Titel, Chicago mit K geschrieben weist schon auf diese sprachliche Eigenheiten hin. Auch die kroatischen Dialogzeilen sind wichtig für Authentizität im gemischtsprachigen Kittsee.

In der Erzählung wird neben dem historischen Rahmen, viel Wert auf das Innenleben der Figuren gelegt, was sie sehr plastisch macht. Der interessante Stoff hätte sich für mich auch auf einen 600 Seiten Wälzer ausdehnen können. Denn auch über die Nebenfiguren hätte ich gerne mehr erfahren, genauso wie was vor dieser Geschichte geschah, wie das Leben in Kittsee war, während wir als Leser in Amerika gewesen sind und was aus Josip wird.

Die Kompaktheit hat sicher den Vorteil, dass der Leser selber mehr arbeiten muss und die Erzählung sich vielleicht dadurch besser im Gehirn verankert. Auf jeden Fall ist „Chikago“ ein Roman, der sich gerne im Gehirn festsetzen darf.

Vielleicht interessiert dich auch das dehr gelungene Romandebut von Theodora Bauer „Das Fell der Tante Meri“, dass sich in vergnüglicher Weise um die Aufarbeitung von Nazi-Vergangenheit dreht.


Theodora Bauer
„Chikago“
Picus Verlag, 2017
ISBN: 978-3-7117-2052-8
250 Seiten, gebunden
22 € (A)