Wenn das Lesen gerade nicht recht funkt
Wenn man ein gutes Buch ausgelesen hat und versucht ein neues anzufangen, dann kann es vorkommen, dass einem die Lesekrise überfällt. Das neue Buch wirkt schal und abgeschmackt und das nächste, das man zur Hand nimmt auch, und das nächste auch. Und man mag schon gar keines mehr zu Hand nehmen. Alle Bücher, die im Regal warten, scheinen fad. Die Bücherei gibt nichts mehr her. Und in Buchhandlungen erwischt man sich bei den Notizbücher. Es freut einem nicht mehr, der Ofen ist aus.
Willkommen in der Lesekrise!
Natürlich kann die Lesekrise einen Sinn haben. Sie ermöglicht uns eine Pause. Sie lässt das vorhergegangen Buch nachwirken. Sie leert uns den Kopf. Vielleicht es dann Zeit, das in der Buchhandlung gefundene Notizbuch mit eigenen Gedanken zu füllen, sich selbst Geschichten ausdenken oder sein Leben reflektieren.
Gefährlich dabei ist nur, dass dann schlechte Gewohnheiten einreißen. Man beginnt wieder mehr fern zuschauen, man verabredet sich öfter mit Menschen, man treibt Sport. Die zur Verfügung stehende Lesezeit wird durch das veränderte Verhalten eingeschränkt und irgendwann denkt man vielleicht, man hat ja gar keine Zeit mehr zum Lesen.
Aber dem ist nicht so, für ein gutes Buch findet sich immer Zeit. Zwei Autoren möchte ich heute vorstellen, die das Potential haben, das Lesefeuer wieder wild lodern zu lassen.
Joachim Meyerhoff
Es gibt in meinem Bekanntenkreis niemanden, den ich nicht Joachim Meyerhoff empfehlen würde. Der Burgschauspieler hat bereits drei Bücher geschrieben und ist dabei enorm unterhaltsam. Er berichtet von seiner Jugend im Irrenhaus (Sein Vater war Anstaltsleiter; „Wann wird es wieder so, wie es nie war“), von seinem Austauschjahr in Amerika („Alle Toten fliegen hoch – Amerika“) und von der Ausbildung an der Schauspielschule, während er gleichzeitig bei seinen Großeltern lebt („Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke“).
Ganz großes Kino: ein ungewöhnliches Leben erzählt mit einer großen Lieben zu den Menschen. Speziell die theatralische Großmutter wird mir immer in Erinnerung bleiben. Beste Unterhaltung, einfach zu lesen, die Bücher passen gut in eine Tasche! Perfekt, für Tage an denen man etwas Aufmunterung braucht! Das Amerikabuch habe ich noch nicht gelesen, darauf kann ich mich noch freuen und auch auf die Fortsetzung der Bücherreihe. Für 9.11.2017 ist der vierte Teil angekündigt: „Die Zweisamkeit der Einzelgänger“.
Donna Tartt
Meine zweite Empfehlung kennen bereits alle lesenden Menschen in meinem Bekanntenkreis, weil ich nachdem ich das Buch ausgelesen hatte, es nicht geschafft habe, es für mich zu behalten. Ich habe eine neue Autorin für mich entdeckt: Donna Tartt. „Der Distelfink“ habe ich von ihr gelesen, nein, verschlungen. Das Buch ist ein dicker Wälzer, hat über 1000 Seiten und am Nachmittag habe ich schon die Minuten gezählt, bis ich endlich mich endlich am Abend darin wieder verlieren kann. Die Handlung wirkt seltsam, der 13jährige Theo Decker geht mit seiner Mutter ins Museum. Ein Terroranschlag zerstört das Gebäude, ein schwer verletzter, alter Mann weist den nur leicht verletzten Jungen an, das Gemälde „Der Distelfink“ mitzunehmen. Er trägt es also traumatisiert nach Hause, wo er auf seine Mutter wartet. Sie kommt nicht wieder. Als Halbwaise wird er zwischen verschiedenen Menschen herumgereicht, das Bild bleibt immer versteckt bei ihm, bringt im aber keine Glück, er gerät in immer fragwürdiger Kreise.
Donna Tartt kann schreiben! Das Buch ist so spannend, es lässt einen nicht los, und das gar nicht, weil die Protagonisten so sympathisch sind, oder weil das Thema so ergreifend ist. Nein, die Autorin versteht ihr Handwerk außergewöhnlich gut, sie setzt die Plotpoints gezielt, hat viele überraschende Ideen, aber auch eine Message dahinter. Gutes zu tun muss nicht zu Gutem führen, und Schlechtes nicht zwingend zu Schlechtem. Diese Botschaft wird am Schluss noch einmal dick ausgewalzt, das hätte mir etwas subtiler gereicht. Aber das Buch ein echter Pageturner!
Was ich nicht garantieren kann, ist, dass nach einem dieser Bücher einem die Lesekrise überfällt oder dass man sich nach dem Distelfink ganz stark nach dem Kunsthistorischen Museum sehnt (ich habe eine Jahreskarte) und man die nächsten Tage und Abende dort verbringt.
Joachim Meyerhoff
„Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“
Roman. Alle Toten fliegen hoch, Teil 2
Kiepenheuer&Witsch
ISBN: 978-3-462-04516-1
Erschienen am: 14.02.2013
352 Seiten, gebunden mit SU
Alle Toten fliegen hoch
Bandnummer 2
Österreich 20,60 €
Joachim Meyerhoff
„Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke“
Roman. Alle Toten fliegen hoch, Teil 3
Kiepenheuer&Witsch
ISBN: 978-3-462-04828-5
Erschienen am: 12.11.2015
352 Seiten, gebunden mit SU (auch als Taschenbuch oder eBook erhältlich)
Alle Toten fliegen hoch
Bandnummer 3
Österreich 22,70 €
Donna Tartt
„Der Distelfink“
Roman
Goldmann
€ 13,40 [A]
Taschenbuch, Klappenbroschur ISBN: 978-3-442-47360-1
Erschienen: 19.10.2015
Liebe Susanne, Mir gehts genau so, wie du am Anfang beschreibst. Danke dafür. Dann werde ich doch wieder versuchen, Platz im Alltag, außerhalb des Urlaubs, für’s Lesen zu schaffen. Das „Amerikabuch“ habe ich geliebt, „Wann wird es endlich wieder…“ heuer im Urlaub verschlungen, „Die Lücke…“ wartet noch im Regal. Ebenso „Der Distelfink“, der wartet auch noch.
Lg Isolde
Viele schöne Stunden!
Hey, danke für den Post!
Ich stolpere im Moment so oft über Donna Tartt, es ist schon ein bisschen gruslig – kennst du das, wenn einem der gleiche Name immer wieder begegnet, und von verschiedenen Seiten empfohlen wird, fast so als würde das Buch flüstern: „Jetzt lies mich so endlich?“
Ich habe mir am Wochenende endlich The Secret History von ihr bestellt und weil ich mit all meinen anderen Büchern in der von dir so schön beschriebenen Lesekrise hänge, werde ich mal gucken, ob sie mir das raushelfen kann…
LG!
Liebe Emily, ja, dass mich bestimmte Bücher rufen kenne ich auch. 😉
Ich wünsche dir viel Spass beim Lesen! Ich denke, dass Donna Tartt einem total fesseln kann, sie versteht ihr Schreibhandwerk.
„The Secret History“ kenne ich noch nicht. Ich würde mich freuen, zu hören, wie es dir gefallen hat. LG, Susanne