Wo beginnen wir also mit unserer Reise ins Burgenland? Wir suchen uns einen einfachen Zugang. Wir beginnen aktuell.
Wir beginnen mit dem zeitgenössischem Autor, der von der Presse derzeit am deutlichsten wahrgenommen wird: mit Clemens Berger.
Er stammt aus dem Südburgenland und hat vor kurzem den Roman „Im Jahr des Panda“ herausgebracht. Das Südburgenland dient in dem Roman nur als kurzer Landfluchthintergrund. Der Roman selbst hat seine Basis in Wien.
Im „Das Jahr des Panda“ geht um die Macht des Geldes in drei Handlungssträngen. Pia und Julian befüllen hauptberuflich Bankomaten. Doch eines Tages wollen sie nicht mehr. Sie behalten das Geld anstatt es in die Maschinen zu stecken. Sie fliehen mit gut einer halben Million Euro und starten ein neues Leben.
Der zweite Handlungsstrang begleitet Pias Mutter Rita, die als Tierpflegerin im Tiergarten Schönbrunn arbeitet. Sie darf die Betreuung des neugeborenen Pandababys Fi Fo betreuen. Pia und ihre Mutter haben kaum Kontakt zueinander, aber das Pandababy weckt in Rita neue Muttergefühle. Die dritte Hauptfigur ist der gefeierte Künstler Kasimir Ab. Er ist durch die malerische Darstellung von Händen sehr vermögend geworden. Doch seine subversive Ader muss er geheim als stadtbekannter „Unbekannter Künstler“ ausleben. Als solcher malt er einen Geldschein mit Hund auf den Flakturm, der in der Stadt für Gesprächsstoff sorgt und auch Pia begeistert. Pia verteilt während ihres Raumzugs Geld an Bedürftige, unter anderem auch an Kasimir, den sie für einen Obdachlosen hält.
Die Flucht führt Pia und Julian zuerst nach Italien, dann nach Nordafrika und schließlich nach Vietnam, wo sie erstmals etwas aufatmen können. Julian lebt seine Liebe zum Fußball aus und Pia wird via Internet künstlerisch tätig, wofür sie auch Anerkennung bekommt. Auch Kasimir wird ihr Fan. Pia kommt auch wieder ihrer Mutter näher, auf die die Öffentlichkeit blickt, als sie den jungen Panda nach China ausliefern muss. Die drei Hauptfiguren stehen also nicht in persönlichen Kontakt miteinander, sondern interagieren nur per Internet.
Was braucht ein schönes Leben?
Wieviel Geld ist dafür nötig?
Macht Geld frei?
Kasimir macht sein durch die Kunst verdientes Geld gar nicht frei. Es wird von ihm erwartet, dass er weiterhin schöne Hände malt, dass er auch mit kleinen Provokationen im Kulturbetrieb mitspielt. Befreien kann er sich nur heimlich, indem er als „Unbekannter Künstler“ das tut, wonach ihm gerade ist.
Pia und Julian werden mit dem vielen Geld nervös. Sie ändern ihr Aussehen und ihre Namen. Sie haben Angst erwischt zu werden. Erst ganz weit weg von zuhause gelingt ihnen Entspannung.
Rita geht es gar nicht ums Geld. Sie arbeitet an Beziehungen. Die Rolle als gute Mutter für Pia ist ihr nicht geglückt. Nun verliebt sie sich in ein Pandababy, das sie aber aufgrund von diplomatischen Überlegungen zweier Staaten nach China, also weg von ihr, geben muss.
Pia findet etwas zu tun. Sie findet trotz ihrer Straftat ihren Platz als Künstlerin und wird eine Stimme um Menschen aufzuwecken. Julian lässt es sich so gutgehen, dass er etwas leichtsinnig wird. Hätten sie das Geld dafür gebraucht? Nicht unbedingt. Aber vielleicht die Zeit. Ist die Zeit das wahre, wertvollere Zahlungsgut?
Leider werden diese Themen im Roman nicht ausreichend behandelt. Der Panda als Zahlungsmittel wird zur oft, zu explizit erklärt und auch, dass man an den Wert jedes Papierscheins glauben muss. Aber eigentlich geht es um Freiheit. Und was mit der geschieht, wird nicht systematisch betrachtet.
Ich habe das Buch gerne gelesen, obwohl mir etwas gefehlt hat. Was war es? Schwer zu sagen. Die Oberfläche passt. Die Sprache sitzt, die Hintergrundrecherchen sind schön abgearbeitet. Es gibt wunderbare Stimmungsberichte von den Ländern, die Pia und Julian bereisen. Der Autor schafft gute Settings, auch die Figuren stimmen. Er scheut sich nicht, wichtige Themen aufzugreifen, er hat keine Angst vor dem Politischen.
Was fehlt also? Vielleicht würden etwas Humor und etwas Leichtigkeit eine gewisse Brillianz herausarbeiten. Vielleicht passt mir auch der Inhalt nicht. Ich hätte gerne eine realistische Perspektive aus dem Kapitalismus. Ich mag niemanden bestehlen, wie Pia und Julian, ich mag mich nicht, mich hinter einer Kunstfigur verstecken müssen, wie Kasimir. Also da fehlt mir noch ein praktikabler Ausweg, eine überraschende Antwort auf die großen Fragen des Lebens.
Clemens Berger ist einer der wenigen burgenländischen Autoren, die nur vom Schreiben leben können. Er hat gute Pressekontakte und seine Werke werden in den Zeitungen und Medien gut wahrgenommen. Er veröffentlichte bereits bei etlichen Verlagen. Aktuell im Luchterhand Verlag. Meist geht es um Universelles. Meist um Kapitalismuskritik. Dass er Fußballfan ist, kann er als Autor auch nicht verbergen. Auch dass er gerne reist, kommt in seinen Romanen durch.
Das Vorgängerbuch vom aktuellen „Ein Versprechen von Gegenwart“ habe ich auch schon vor Jahren gelesen. Und ich habe es als interessante Betrachtung einer Beziehung von außen wahrgenommen, aber nicht weiter nachdenkenswert abgespeichert.
Und sein bis dato bekanntestes Buch „Das Streichelinstitut“ habe ich gelesen. Auch hier geht es um Kapitalismuskritik. Sebastian, ein junger Mann, der bis dato als lautstarker Redner gegen den Kapitalismus aufgefallen war, muss Geld verdienen. Er gründet ein Streichelinstitut, indem er streicheln als Dienstleistung anbietet. Er fragt sich, ob er damit ein Helfer des Kapitalismus wird, indem er die Menschen, die zu ihm kommen noch leistungsstärker macht, oder, ob das was er tut subversiv ist. Dazwischen gibt es auch noch Liebesverwirrungen. Die einbrechende Wirtschaftskrise am Ende des Romans scheint Sebastian fröhlich wegzustecken. Das Buch ist etwas pannonischer, weil es auch eine Beziehung zu Ungarn hat. Sebastian kommt auch als Nebenfigur im „Jahr des Panda“ vor.
Das Zeug, um mein Lieblingsautor zu werden, hat Clemens Berger nicht. Aber er macht mich nachdenklich. Er will etwas an den herrschenden Systemen verändern. Über das Burgenland, über die Herkunft, gibt es eine Verbindung. Ich verstehe, wovon er spricht. Ich werde seine Werke weiterhin lesen, denn ich denke sein Potential ist noch nicht ausgereizt. Da können noch große Dinge kommen.
Clemens Berger „Im Jahr des Panda“ Luchterhand Verlag, Roman € 24,70 [A] Gebundenes Buch mit Schutzumschlag ISBN: 978-3-630-87531-6 672 Seiten Erschienen: 19.09.2016 Clemens Berger „Das Streichelinstitut“ Roman € 20,50 (A) 356 S., geb., Schutzumschlag, 12 x 20 ISBN: 978-3-8353-0619-6 (2010)