Ich bin in die Falle getappt. Ich werde keine mehr Ruhe finden, bis ich nicht alle Wälzer des Norwegers Karl Ove Knausgårds verschlungen habe.
Karl Ove Knausgård erzählt über sein Leben. Mehr nicht. Und auch nicht weniger. Er erzählt alles, und er überlegt dazwischen. Er versucht das Leben so wie es ist, ungeschönt darzustellen. Es passiert nichts Außergewöhnliches, es gibt keine großen Handlungsbögen, man begleitet Karl Ove durch seine Tage. In alltäglichen Szenen kämpft mit sich und seinem Leben. „Min Kamp“ heißt die Romanreihe im Original, was natürlich nicht in Deutsche übernommen werden kann. Hier bilden klare Verben die Titel. In „Leben“ geht Karl Ove als Teenager auf die Suche nach einem Mädchen, bei dem er endlich seine Unschuld verlieren kann. Oder später in „Lieben“ quült ihn der Alltag in der Kinderkarenz. Er will nichts als Schreiben, aber schiebt stattdessen den Kinderwagen mit seiner Tochter durch die Stadt um Unmengen an Büchern zu kaufen. In „Sterben“ denkt Karl Ove über seinen Vater nach. Oder jetzt in „Träumen“ geht es um seine Studienzeit und um sein Ringen endlich ein guter Schriftsteller zu werden.
Oft ist es für mich, als ob ich mit Karl Ove am Tisch sitzen und ihm zuhöre würde. Oft möchte ich ihn fest drücken, ihm sagen, dass er nicht so viel trinken und rauchen soll. Er ist eine gute Seele, mit einem Hang ins Destruktive. Er versucht nicht zu verbergen, dass er nicht perfekt ist. Ich bezweifle, dass ein persönliche Treffen je mehr über ihn offenbaren würde. Er gibt alles in die Bücher. Sein ganzes Leben, ungeniert.
Das Erzählen über einen Selbst passt in die heutige, exhibitionistische Zeit. Karl Ove erzählt aber nicht aus Eitelkeit. Er versucht die Wahrheit hinter der Literatur und hinter dem Leben zu finden. Ganz schonungslos geht er darin mit sich selbst und seinen Lieben ins Gericht. Er ist sehr reflektiert, hat lange mit seinem Schreiben gekämpft und endlich eine für ihn passende Form gefunden, die eine Wahrhaftigkeit, eine Unmittelbarkeit hat, die ich so nicht kenne.
Es ist da etwas Neues, etwas extrem Fesselndes! Und trotzdem lege ich manchmal das Buch zur Seite, um über mein Leben nachzudenken.
„Spielen“ fehlt mir noch. Ich hoffe, Karl Ove schreibt inzwischen brav weiter. Möglichst solange ich lebe.