Ich bin mit dem Gedanken aufgewachsen, dass die Gleichstellung von Mann und Frau schon vollzogen ist. Ich dachte, das haben Feministinnen schon vor meiner Zeugung für mich erledigt. Ich dachte, ich müsse mich nicht zwischen Beruf und Familie entscheiden, ich kann Karriere machen, dabei soviel wie ein Mann verdienen und eine gute Mutter sein. Naiv, ich weiß!
Ich habe den Preis dafür nicht gesehen.
Seit meinem Wiedereinstieg in den Job, habe ich etliche Bücher zum Thema Vereinbarkeit gelesen. Zuerst zum nüchternen Teil:
Die beiden deutschen Journalistinnen Susanne Garoffsky und Britta Sembach haben sich in der „Alles ist möglich Lüge – Wieso Familie und Beruf nicht zu vereinbaren sind“ den Stand der Dinge für berufstätige Mütter in Deutschland angesehen. Sie analysieren und kritisieren die derzeitige Familienpolitik. Sie untermauern das mit Zahlen und Fakten.
Ihr Hauptkritikpunkt ist, dass die Care-Arbeit, also die Arbeit, sich um jemanden Hilfsbedürftigen (Kinder, Alte, Kranke) ohne Entgelt zu kümmern, nicht ausreichend anerkannt wird; weder gesellschaftlich, noch finanziell. Die Rahmenbedingungen der Arbeitswelt sind noch immer von Männern für Männer gemacht, es wird nicht in Familien gedacht. Die Erwerbsarbeit verlangt, dass sich die Familie unterordnet und nicht umgekehrt. Die Autorinnen machen etliche Vorschläge in Richtung ausgewogenen Familienpolitik. Der Ton des Buches ist anklagend und hinterlässt die Leserin etwas frustriert. Ich hatte mir mehr Input auf der persönlichen Ebene erhofft.
Ich brauchte nach dem Buch etwas Positives, etwas Motivierendes.
Sheryl Sandberg ist COO von Facebook. Sie gilt als eine der reichsten und einflussreichsten Frauen der Welt. Gleichzeitig ist sie Mutter zweier Kinder und seit ca. einem Jahr Witwe.
Obwohl ihr wohlmeinende Stimmen davon abgeraten haben, hat sie gewagt das Buch „Lean in – Frauen und der Wille zum Erfolg“ zu schreiben und damit über Frauen und Karriere öffentlich zu sprechen. Sie, als Amerikanerin glaubt an die freie Wirtschaft und nicht als den Staat als Regulativ.
Auch sie dachte, das Thema Frauen und Führung sei längst erledigt, musste aber in ihrer Laufbahn mehrmals feststellen, dass das nicht so sei. Im ersten Teil des Buches spricht sie darüber, wie sie Frauen in Führungspositionen wahrnimmt und wie es ihr ergangen ist. Für mich mitgenommen habe ich, dass Männer aufgrund ihres Potentials befördert werden, Frauen wegen ihrer vergangen Leistungen. Frauen nehmen ihre Leistung selbst kaum realistisch war, sie denken, sie werden gleich als Hochstapler entlarvt und haben immer ein schlechtes Gewissen. Sie bewerben sich erst für einen Job, wenn sie sicher sind, alle Anforderungen zu erfüllen, Männer, wenn sie nur einen Teil davon bereits abdecken können. Auch ergreifen sie weniger die Initiative. Sie machen ihre Arbeit so gut wie möglich, in der Hoffnung, dass eines Tages jemand kommt und ihr ein Krönchen verleiht.
Aber Sheryl Sandberg meint, wir Frauen sollen uns ins Zeug legen, wir können daran etwas ändern:
- Sensibilität für das Thema Frauen und Karriere einwickeln und immer wieder ansprechen.
- Auf sich und seine Leistungen aufmerksam machen. Und wenn man sich sich nicht selbst loben mag, ein Netzwerk mit anderen Frauen zu gründen, um sich Gegenseitig in der Öffentlichkeit zu loben.
- Karriere machen, bevor noch Kinder da sind. In einer höheren Postion hast du mehr Freiraum dir die Dinge zu richten, wie du sie haben willst.
- Niemand kann alles haben. Besser ist die Frage: kann ich alles tun, was ich will? Das soll heißen, jede Frau muss selbst entscheiden, was ihr wichtig ist und danach handeln.
- Wir können uns gegenseitig in unseren Lebensentwürfen unterstützen und Frauen, die sich andere Prioritäten setzen, nicht verurteilen.
Das Buch ist recht schwungvoll geschrieben, ermuntert zum aktiven Handeln und dazu sich die Rahmenbedingung für sein Leben selbst zu schaffen. Das ist eine Empfehlung für die Tage, an denen man sich sechs Hände und drei Köpfe wünscht.
Natürlich habe ich auch Romane zum Thema Mütter und Beruf gelesen, zum Beispiel Gertraud Klemms „Aberland“ und Anke Stellings „Bodentiefe Fenster“. Beide haben mir gefallen, weil sie einen realistischen, ungeschönten Alltag und die ambivalenten Gefühle einer Mutter nachbilden. Sie bieten aber keinen Ausweg und speziell Klemm bleibt an #regrettingmotherhood hängen. Das ist nicht mein Thema.
Dafür hat mich ein Mann in der Karenz gerade begeistert: Karl Ove Knausgård in „Lieben“ rührte mich zutiefst. Aber von Karl Ove bald mehr…
Es freut mich jedes mal, wenn ich lese, dass jemand mit der Selbstverständlichkeit der Gleichstellung von Mann und Frau aufgewachsen ist. Das ist doch schon mal etwas!
Aber spätestens mit Kindern wird diese Gleichstellung in der realen Beziehung schwieriger zu leben. Bei mir hab ich gemerkt, dass es viele Aushandlungsprozesse benötigt, dass wir viel mehr reden müssen, ständig unsere Kalender miteinander abgleichen, wer geht wann mit wem wohin? Wessen Termin ist wichtiger? Was lässt sich verschieben, absagen? Partnerschaft, wirkliche Gleichstellung, auch mit Kindern zu leben, besonders mit kleinen Kindern, das ist ganz schön viel Arbeit. Eigentlich fast nicht zu bewältigen, wenn nicht irgendwo eine nette Oma oder Nachbarin oder Freundin mit hilft. Und so gegen den Strom zu schwimmen, denn die typischen Rollenverteilungen sind doch noch immer präsent, auch das kostet Energie, das merkt man oft erst viel später.
…Wessen Termin ist wichtiger?… kommt mir doch echt bekannt vor 😉