Blum muss man nicht kennen

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Der Thriller „Totenhaus“ von Bernhard Aichner ist als zweiter Teil einer Trilogie konzipiert. Der erste Teil „Totenfrau“ war ein Überraschungserfolg.

Die Heldin des Romans ist die Bestatterin Blum. Im ersten Teil hat sie den Tod ihres Mannes gerächt, indem sie fünf Männer ermordet hat und ihre Leichenteile in Särge von „normal“ verstorbenen Menschen versteckt hat.

Nun macht Blum Urlaub mit ihren Töchtern, als sie ein Foto in der Zeitung entdeckt, dass sie den Urlaub vorzeitig abbrechen lässt. Sie, die adoptiert wurde, entdeckt, dass sie noch ein Zwillingsschwester hatte, die schon verstorben ist, aber als Plastinat in einer Ausstellung gezeigt wird. Sie findet über den Plastinierungskünstler Kuhn die Familie ihrer ebenfalls adoptierten Zwillingsschwester. Die Mutter nahm sich das Leben, der Vater Alfred lässt deswegen sein Luxushotel seit 20 Jahren leerstehen. Der Bruder Ingmar, ein Studienfreund Kuhns ist ebenfalls Künstler, und lebt auch im leeren Hotel.

Durch Zufall wird ein Leichenteil von Blums Opfern in einem exhumierten Sarg entdeckt. Blum wird gesucht, kann nicht mehr zurück zu ihrer Familie und findet im leerstehenden Hotel Unterschlupf. Sie vertraut den falschen Personen, wird gefangen gehalten, stirbt fast, kommt aber frei. Sie kann ihre Kinder zu sich nehmen, obwohl ihre Villa von der Presse und der Polizei belagert wird und ist schlussendlich wieder auf der Flucht.

Stärken

Was sein die Stärken des Buches? Das Buch bietet einen Einblick in das Bestattermilieu, dass nicht alltäglich ist, obwohl in diesem zweiten Teil nicht viel davon vorkommt. Es werden ungewöhnlich Handlungsorte vorgestellt und dort schafft es der Autor, der ebenfalls als ist als Fotograph tätig ist, ganz stimmig komponierte Bilder zu kreieren. Die Geschichte an sich ist auch ganz spannend, obwohl einige Dinge im Plot nicht ganz schlüssig sind. Damit gleich die Überleitung zu den Schwächen des Buches. Leider gibt es davon einige.

Umglaubwürdig

Die Protagonistin handelt für mich zum Teil nicht nachvollziehbar. Sie will eine gute Mutter sein, bringt ihre Kinder aber durch ihr Handeln ständig in Gefahr. Und sie ist dann ganz wehleidig, wenn sie wegen ihrer Morde gesucht wird. Das Selbstmitleid, ihr Alkoholkonsum und ihr Männergeschmack nerven mit der Zeit. Sie sehnt sich ständig nach einem Retter und soll aber gleichzeitig ein starke Frau darstellen. So funktioniert das leider nicht. Andere Frauen kommen im Buch so gut wie nicht vor. Dafür aber Männer. Die guten Männer sind zu gut, um wahr zu sein. Karl und Reza und dann doch auch Alfred. Die bösen Männer zu verschroben. Ingmar und ich vermute auch Kuhn.

Am Schlimmsten ist aber, dass der Autor sein Handwerk nur mangelhaft beherrscht. Ich habe den Eindruck ihm ist nicht ganz klar, was er lieber in Dialoge packen soll, oder einfach der Erzählstimme überlassen darf. Daher macht er zum Teil beides. Er erklärt zuerst, was beim Gespräch passiert und dann kommt der extrem reduzierte Dialog. Das wird auf Dauer einfach fad. Und das schlimmste ist, dass der Inhalt beider Beschreibungsarten zum Teil widersprüchlich ist. Wenn die Dialoge so reduziert werden, ohne ein „sagte“, ohne die Situation oder die Gefühle näher zu erklären, dann müssen die Worte stimmen. Jedes Wort erhält massives Gewicht. Und dieser Effekt teilweise mit banalem Geplapper verschenkt.

Die Grundsatzfrage des Romans ist ja sehr interessant: aus welchem Grund darf man töten? Aber wenn es nach Blum geht, darf sie das ständig, sogar wenn sie nur von jemanden schlecht geträumt hat, die anderen Menschen dürfen aber nicht einmal ein böses Wort zu ihr sagen. Das heikle Thema sollte man doch differenzierter abarbeiten.

Mein Fazit: diesen Thriller muss man nicht gelesen haben.

Erfahrungsbericht über meine erste Lesechallenge folgt hier.