Das seitenlange Sektglas oder „Besser“ nicht

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Ich war wieder auf einer Lesung und sitze nun hier, um wieder ein Buch zu kritisieren, das ich nicht gelesen habe. (Ich lerne also doch nicht dazu ;-))

Der Boulehof im Museumsquartier war komplett gefüllt, als Doris Knecht sich von ihren Kollegen Sebastian Fasthuber vom Falter einleiten ließ. Ich saß auf der unbequemen Brüstung vor dem schwarzen Museumskoloss. Fasthuber fasste brav zusammen und kündigte nach der Lesung auch noch eine Diskussion mit der Autorin an. Diese Diskussion war ein kurzer, schmerzloser Freundschaftsdienst, es kamen keine scharfe Fragen vor. Knecht bekam sogar die Gelegenheit anzukündigen, dass sie an einem neuen Werk schreibe.

Von der Lesung aus dem Roman „Besser“ habe ich hauptsächlich die seitenlange Beschreibung des armseligsten Sektglases der Welt in Erinnerung. Die Autorin meint damit das Sektglas aus gepresstem Glas, das mit dem Wulst am oberen Rand, das mit dem kurzem Stiel, das, mit dem man sich niemals fotografieren lassen sollte. Überraschend war wie viele Beschreibungsmöglichkeiten, wie viele Verknüpfungen die Autorin zu diesem kleinen Glas hat und mit welcher abschätzigen, hochmütigen Meinung sie die Figur darüber urteilen lässt. Aber im Wesentlichen war die elendslange Glasverhöhnung fad und nichts sagend. Fünf Seiten lästern, sagt nicht mehr über eine Figur aus, als ein, zwei Sätze auch sagen könnten.

Ich muss dazu erklären, ich bin ein geheimer Fan von Doris Knecht. Ich bin zu Lesung gegangen, um sie einmal persönlich zu sehen. Denn ich habe den Eindruck, sie schon lange zu kennen. Ich lese wöchentlich ihre Falterkolumne. Ich habe ihre gesammelten, alten Kolumnen in der Stillzeit sehr gerne gelesen. Und ich habe auch zu „Gruber geht“ gegriffen. Bedauerlicherweise war dieser Ungustl Gruber zu gut gemacht, zu glaubwürdig, als dass er mir gefallen hätte.

Nach der Lesung hatte ich tiefe, raue Abdrücke von der Betonbrüstung in meinen Oberschenkeln und den Vorsatz, mich nun öfter mit so einem armen Sektglas sehen zu lassen, aber nicht mit Knechts Buch. Ich werde „Besser“ nicht lesen.