Mutterleseglück – Teil 1: Lesen mit Bauch

Ich habe in Mathematik und darstellende Geometrie maturiert. Ich habe an einer technischen Universität studiert und würde von mir sagen, dass mein logisches Denken ganz gut entwickelt ist. Eines Tages als meine Brüste so komisch zogen, bemerkte ich, dass ich nicht mehr im Stande war, komplexen Excelverknüpfungen herzustellen. Am WC, mit einem bepinkeltem Stäbchen in der Hand, bestätigte sich mein Verdacht: ich war schwanger. Am nächsten Morgen und an jeden Morgen in den folgenden zehn Wochen musste ich mich übergeben.

Ich wurde ein anderer Mensch. Ich entdeckte mich körperlich neu, wusste plötzlich wozu ich diese Brüste hatte und warum ich so kälteempfindlich bin. Auch im Gehirn machten sich Änderungen bemerkbar. Zahlen konnte ich mir nicht mehr merken, sie wurden unwichtig, spielten keine Rolle mehr, mein Denken war plötzlich von starken Gefühlen bestimmt. Ich war damit beschäftigt meine Tränen der Rührung zu verbergen, wenn ich im Fernsehen eine Werbung für Babynahrung sah oder spielende Babykatzen.

Diese Wesensänderung wirkte sich auch auf mein liebstes Hobby das Lesen aus. Ich recherchierte, welcher Lesestoff werdenden Müttern empfohlen wird. Ich stieß nur auf Ratgeber, eigentlich Millionen von Ratgebern über Schwangerschaft und Baby. Und als Leseratte habe ich natürlich in den ersten paar Wochen täglich einen verschlungen, aber die Ratgeber führten statt zu beruhigen zu unguten Gedanken. Sie machten, dass ich um zwei Uhr nachts wach lag und Angst vor meiner Zukunft hatte und Angst, ob ich denn als Mutter taugen würde, und ob es dem Baby im Bauch gut gehe und ob ich schon alles Notwendige für das Baby besorgt hatte und später, Angst vor der Geburt und deren körperliche Folgen.

Ich brauchte also Ablenkung und Unterhaltung. Und ich denke, ich bin nicht die einzige Schwangere, der es so geht. Deshalb kommen hier in mehreren Teilen Lesetipps für Schwangere und junge Mütter. Natürlich kann so eine Zusammenstellung nur sehr persönlich und willkürlich sein, niemals vollständig. Ich freue mich aber, wenn sie trotzdem gelesen wird, denn sie hat mich viel Zeit gekostet, und noch mehr freue ich mich, wenn die Liste ergänzt wird. Denn vielleicht mag ich ja irgendwann wieder schwanger werden.

Bevor wir zu den konkreten Büchern kommen noch ein paar praktische Aspekte zum Lesen in der Schwangerschaft. Die Nicht-schwangere Frau mag sich fragen, kommt man denn in der Schwangerschaft überhaupt zum Lesen? Man muss doch noch einen Großteil der Zeit arbeiten, muss Vorbereitungen für das Baby treffen und ist gleichzeitig viel müder und langsamer als sonst. Natürlich ist man auf der einen Seite eingeschränkter, denn man muss eventuell auf Lesestunden verzichten. Das Lesen in der U-Bahn könnte aufgrund von Übelkeit ausfallen, genauso wie das Lesen am Abend wegen Müdigkeit. Doch mit wachsendem Bauch lässt die Mobilität und der Wille zu Unternehmungen nach. Das Treffen mit Freunden wird abgesagt, der Einkauf auf nach der Geburt verschoben, und die Zeit, die man mit Sport verbracht hat, findet sich als Lesezeit wieder. Wenn also alles Babyzubehör besorgt ist, die ganze Wohnung durch geputzt ist und nur mehr das Warten übrig ist, ist das die Zeit zum Lesen. Es gibt nichts schöneres als den trägen Körper auf die Couch zu betten, die geschwollenen Beine hochzulagern und zu lesen. Das Buch schön auf dem runden Bauch abgestützt. Und wenn man die schöne Lesestunde mit dem Baby teilen will, kann man laut lesen und warten, bis man kleine Tritte spürt.

Ein zweiter praktischer Aspekt, den ich hier besprechen will, behandelt die Beschaffung und den Besitz von Büchern. Es gibt in der Schwangerschaft noch mehr falsche Bücher. Damit meine ich Bücher, die einen ärgern, aufzuhören, deren Inhalt blöd ist, deren Sprache schlecht ist oder von denen man schlecht träumt. Da ist es empfehlenswert, wenn man das Buch nur ausgeborgt hat. Dann bring man es schnell wieder in die Bücherei zurück und vergisst es. Hat man es gekauft, ärgert man sich vielleicht noch ein zweites Mal über das hinausgeworfene Geld und ein drittes Mal, wenn man es nach jahrelangem Staubansetzen wieder entsorgen muss. Und wenn einem ein Buch ans Herz gewachsen ist, kann man es noch immer kaufen.

Hat man so einen Bücherverbrauch wie ich, ist es am Ende der Schwangerschaft sinnvoll seinen Partner mit einer Liste zur Bücherei zu schicken und ihn auch zu bitten die Bücherstapel wieder zurückzubringen. Oder man steigt auf E-Books um. Auch die kann man sich in der Bücherei (zumindest in Wien, http://www.buechereien.wien.at/) ausborgen. Und wenn man keinen Reader hat, auch am Computer oder am Handy lesen, was die Sache schon ein wenig unbequemer macht.

Und zum Schluss der letzte Tipp: bereite dir in Griffweite zu deinem Leseplatz, ein Getränk, einen kleinen Snack, und dein Telefon vor, damit du dich nicht ständig aufrollen musst. Nur den Toilettengang kann dir niemand ersparen.